Der Aachen Code - Die Entschlüsselung einer Taktik & eines Mythos
Ich starte mal wieder eine neue Artikel-Reihe (die ich dann nie weiter führen werde): Diesmal geht es um Taktiken bei SC. Als erstes will ich die sagenumwobene Aachen-Taktik behandeln, die Aachen, so heit es, trotz einer individuell mittelmäßigen Mannschaft den ersten Titel der SC-Geschichte bescherte. Für mich war diese Taktik lange ein Mysterium, sie war für mich das Sinnbild der ultimativen Spielweise, mit der man jeden Gegner dominieren und besiegen kann. Ich dachte also, ich hätte hier den Schlüssel zum heiligen Gral Soccercrafts - und müsste diese Taktik nur "erlenen" und auf mein Team transformieren, um endlich Titel zu gewinnen.
Schauen wir uns die Taktik mal im Detail an:
Aachen spielt im 3-5-2 als Grundformation, das ist erst mal ziemlich gewöhnlich. Doch das interessante ist das enorme Offensivaufgebot, dass sich vorne ballt: Vor 3 Innenverteidigern steht nur ein ZM als Spielmacher, flankiert von äußeren Mittelfeldspielern und davor stehen sowohl zwei offensive Mittelfeldspieler wie auch noch 2 Stürmer.
Aachens Meister-Formation:
Sirigu
Heitinga - Höwedes - Rami
Milner - Sissoko - Großkreutz
Holtby - Labyad
Heitinga - Höwedes - Rami
Milner - Sissoko - Großkreutz
Holtby - Labyad
Villa - Dybala
Dabei spielte man stehts ziemlich offensiv, ob man variierte, oder einfach die Gegner unterschiedlich offensiv konterten, kann ich nicht sagen, aber Chancen gab es meist auf beiden Seiten einige - und die Partien waren ziemlich torreich (83:45 Tore nach 22 Partien).
Aachen erreichte damit in der Rückrunde 74% Stärke. Das ist überhaupt nicht so mittelmäßig wie erwartet - und mit Blick auf die deutsche Liga sogar ein außerordentlich guter Wert. Damit liegt man auf einem Niveau mit Köln und vor Bremen, Gladbach etc., weit vor Schalke zB. Nur die Bayern hatten mit 78% mehr Stärke, waren aber lange ohne aktiven Manager und spielten deshalb überhaupt keine Rolle im Titelkampf. Außerdem hatte Aachen in der Hinrunde in etwa die selbe Stärke, während die meisten anderen Teams sich erst über die Saison entwickelten. Da haben wir also schon mal den ersten Mythos beseitigt: Aachen schaffte es nie mit einem Mittelklasse-Team Meister zu werden, sie wurden mit einem Topteam (ligaintern) Meister. Immerhin recht souverän,mit (fast) einer einzigen Taktik, auch das ist noch recht überzeugend.
Die Situation:
Doch interessant ist vor allem der Blick auf die Liga, wenn man Aachens Meisterschaft erklären will. Hat man die Liga wirklich so dominiert, oder war sie sonst einfach so ausgeglichen? Eher zweiteres, denn Aachen hatte am Ende mit 48pt nicht mal so eine überragende Ausbeute (United hatte 54, Inter 50 und Valencia 53, Barca 52). Die Tabellenführung war ja am Ende sogar noch in Gefahr, dominiert hat man die Liga also nur über eine gewisse Strecke, vor allem in der Hinrunde (als viele Mannschaften noch experimentierten) spielte man sich einen Punktevorsprung heraus. Und die Konkurrenz? War beileibe nicht so groß. Nicht nur vom Stärkeverhältnis, wo Aachen immer unterschätzt wurde, es war die Konstellation der Konkurrenten, die diese Situation für Aachen ermöglichte. Wir schauen uns dazu einzeln die Konkurrenz ein mal genauer an:
Bor. M'Gladbach: Wurde 2., wechselte öfters die Taktik (meist Richtung 3-4-3 oder 3-5-2). Hatte am Ende eine gute 3-5-2 Taktik (barca-style) und 71% Stärke. Damit waren sie schwächer als Aachen und konnten am Ende dennoch bessere Ergebnisse einfahren und aufholen. Wer weiß, wie es geendet hätte, wäre Gladbach die komplette Saison in dieser Form aufgetreten und mit einer ähnlichen Stärke.
Werder Bremen: Wurde 3., war aber in der Hinrunde noch ganz hinten dabei. Erst spät bekam die Mannschaft einen aktiven Manager. Hätte dieser von Anfang an gewirkt, ich bin mir sicher, querflanke wäre mit Bremen wohl Meister geworden. Er konnte von der Stärke mit Aachen mithalten (73% am Ende) und war taktisch deutlich variabler und stärker.
Hier sein Sieg gegen Bremen in Unterzahl: SV Werder Bremen - Alemannia Aachen
[SoccerCraft] (oder ein beweis was top-keeper leisten können)
Bor. Dortmund: Wurde 4., aber hatte taktisch nie die richtige Lösung gefunden. Gute Ergebnisse wechselten sich mit schlechten ab. Hier sieht man wie Mike gegen Aachen richtig ins Klo griff und 5:0 unterging: Borussia Dortmund - Alemannia Aachen[SoccerCraft] - Gerade die 4er-Kette scheint doch recht leicht zu bespielen für die Aachen-Taktik (dazu später mehr). Vorne fehlte die Offensivkraft um selbst gefährlich zu werden. Ich denke mal Mike hat das System eher weniger offensiv angesetzt, was der entsch. Fehler war. Auch Konter fehlten vielleicht, wodurch man die freien Räume ungenützt ließ. Jedenfalls sieht man, wie hilflos Dortmund teilweise agierte.
Bayer Leverkusen: Wurde 6., hatte am Ende zwar 72% Stärke, aber spielte immer in einer eher defensiven 4er-Ketten-Formation, mit der es schwer ist, Titel zu gewinnen. Zu Beginn war es auch noch eine Talentmannschaft, die sich im ständigen Umbruch befand.
1. FC Köln: Wurde 5., aber war lange Zeit weit abgeschlagen, sogar im Abstiegskampf dabei. Phil galt natürlich als Favorit, da er den wertvollsten Kader hatte, aber nicht mal den stärksten! Dass auch er taktische Probleme hatte und diese erst gegen Ende langsam in den Griff bekam, brauche ich, denke ich, nicht zu erklären.
Schalke 04: Wurde 7., spielte aber auch lange vorne mit - aber hier lag es nur an einer guten Taktik, die Flori für seine Rolle als Underdog schon früh gefunden hatte. Im 4-3-1-2 mit 3 defensiven Mittelfeldspielern konnte er die meisten Teams trotz klarer Unterlegenheit (63% Stärke) auskontern. Doch gerade gegen die Aachen-Taktik ist dieses System recht hilflos. Es lässt sich zu stark nach hinten pressen und kann der enormen Angriffsgewalt nicht entgegenstehen. Hier das Rückrundenspiel: Alemannia Aachen - FC Schalke 04
[SoccerCraft]
Interessant ist vor allem: Wie unkonstant die Teams waren. Köln, Bayern und Werder hatten eine schreckliche Hinserie und spielten erst gegen Ende groß auf, wo sie dann die meisten Teams besiegten. Deshalb kam kaum jemand auf wirklich viele Punkte. Nur ein Team blieb (bis gegen Ende hin, wo sie etwas nachließen) konstant: Alemannia Aachen. Ein Grund dafür war AUCH die Taktik, aber sicher auch die Qualität und vor allem (!) die schlechten Anpassungen der Gegner. Insgesamt war Aachen also vor allem Nutznießer der verdrehten Situation in einer Liga, die praktisch komplett ohne Topteam besetzt war.
Zum taktischen:
Ich hab sie jetzt intensiv getestet und verstehe sie nun recht gut. Wobei viele schon vorher zu dem einfachen Schluss gekommen sind: Die Taktik ist einfach sehr offensiv. Sie ermöglicht es durch jede Defensive durch zu kommen und eignet sich somit perfekt im Rückstand. Sie lässt aber auch große Räume offen, die mit Kontern bespielt werden können. Drei IVs sind dagegen vorzuziehen, dank den vielen zentralen Angreifern. Konterspiel natürlich Pflicht, wenn so offensiv ausgelegt, wie von Aachen. Wenn man keinen Masterplan dagegen anwendet (querflanke hat im letzten Test gegen mein Barca zB eine Möglichkeit gefunden das System effektiv zu bespielen) ist es am sinnvollsten den offenen Schlagabtausch aufzunehmen. Meist wird man sogar dazu gezwungen, da man die Konter angeboten bekommt. Oft wird es dann zur Lotterie, wer gewinnt, oder die bessere Mannschaft setzt sich durch. Dagegen auf totale Defensive - oder noch schlimmer: Sicherheits- /Ballbesitzfußball zu spielen kann tödlich enden, da man vor gegnerischen Chancen eigentlich nie sicher sein kann. Außerdem scheint die Taktik Stärkeunterschiede ein wenig aufzuweichen. Real Madrid zB nahm das Dauerfeuern auf die Tore an und konnte sich in der EL nur dank der Auswärtstorregel durchsetzen (nach 2 sehr torreichen Spielen). Hier ist die Aachen-Taktik dem "normalen" 3-5-2 wohl doch etwas überlegen.
Fazit: Die Aachen-Taktik ist gut, da schwer zu kontern, aber sie ist auch (wenn man ein ganz normales 3-5-2 dagegen ansetzt zB) nicht sonderlich souverän, also das Gegenteil dessen, was ich glaubte, dort gefunden zu haben. Es ist keine ultimative Taktik um Meister zu werden, die Aachen-Taktik ist einfach ein Mittel um eine gegnerische Defensive aufzuzwingen und Tore zu schießen. Für mich ein interessanter Plan B, den ich aber in Pflichtspielen nur in best. Situationen einsetzen würde.
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