
Tabula rasa bei den «Löwen» - nach der Entlassung
von Trainer Reiner Maurer und Manager Roland Kneißl will der TSV 1860
München mit einer neuen sportlichen Führungsspitze den Aufstieg in
die Fußball-Bundesliga erzwingen. Nach den wildesten Gerüchten um die
Nachfolger des geschassten Duos wurde der Club auf der Suche nach
Ersatz für Kneißl schon am Montag fündig. Stefan Reuter, Weltmeister
von 1990, wird neuer Manager, teilte der Verein am Abend mit. 1860-
Präsident Karl Auer verhandelte auch mit dem Österreicher Walter
Schachner über ein Engagement als Chefcoach. Der 48-Jährige war
zuletzt beim Grazer AK tätig.
«1860 ist für mich eine Riesenherausforderung, ich freue mich sehr
auf die neue Aufgabe bei diesem Traditionsverein», sagte Reuter, der
einen Vertrag bis zum 31. Dezember 2008 erhält. Seine erste Aufgabe
wird es sein, einen neuen Trainer zu finden: «Das Wichtigste ist
zunächst, dass das Sportliche wieder im Vordergrund steht, und ich
bin überzeugt, dass die anvisierten Ziele erreicht werden können,
aber nur wenn in der Rückrunde alle an einem Strang ziehen.»
Die miese Bilanz in der Allianz Arena, in der nur drei der zehn
Heimspiele gewonnen wurden, und letztlich die 0:0-Blamage gegen
Schlusslicht LR Ahlen am vorigen Freitag kosteten Maurer, der am 4.
Dezember 2004 Rudi Bommer beerbt hatte, und Kneißl den Job. «Nach dem
Auftritt am Freitag hatten wir keine andere Wahl mehr. Wir müssen
einen sportlichen Neuanfang machen», sagte Kneißl, der sich wieder
ganz auf sein Amt als Geschäftsführer des Fanartikelverkaufs
konzentrieren kann. Präsident Karl Auer räumte ein, dass ihm die
Entscheidung schwer gefallen sei, «aber der Verein steht vor einer
wegweisenden Rückrunde. Wir wollen nichts unversucht lassen, das Ziel
Aufstieg zu realisieren».
Die Mannschaft hatte den personellen Paukenschlag so schnell nicht
erwartet. «Wir alle sind überrascht», sagte Kapitän Matthias Lehmann.
«Das Fußballgeschäft ist brutal», meinte Junioren-Nationalspieler
Daniel Baier. Co-Trainer Bernhard Trares soll das Team auf das DFB-
Pokal-Viertelfinale gegen Eintracht Frankfurt vorbereiten. Es ist
nicht auszuschließen, dass Schachner am Mittwochabend in der Allianz
Arena auf der Trainerbank sitzt, wenn sich 1860 mit dem ehemaligen
Nationalspieler schnell einig wird.
Angesichts des teuren Kaders und der Millionen-Verpflichtungen
durch das neue Stadion ist der Traditionsclub zum Aufstieg verdammt,
wie Auer es einmal formuliert hat. Ein drittes Jahr in der zweiten
Liga würde einen Ausverkauf der Spieler zur Folge haben, und die
Existenz des Clubs wäre gefährdet. Uli Hoeneß hat sogar schon an den
Super-Gau gedacht. Via Zeitung drohte der Manager des FC Bayern im
Falle der Drittklassigkeit mit dem Ende der rot-blauen Stadion-
Allianz.
Zur Bewältigung der sportlichen Krise boten die Münchner
Boulevardblätter am Montag gleich eine Heerschar von Trainern auf.
Ralf Rangnick, Ewald Lienen, Matthias Sammer, Uwe Rapolder, Michael
Henke wurden ebenso aufgeführt wie Jörg Berger und Ex-Trainer Werner
Lorant. Mit dem 39-jährigen Reuter, Profi bei den Bayern und Borussia
Dortmund, soll es bereits seit vorigen Samstag Kontakte gegeben
haben.
In großer Sorge, das Unternehmen Aufstieg könne scheitern, hat
sich unterdessen Karl-Heinz Wildmoser Gedanken über ein Comeback
gemacht. «Ich würde gerne helfen. Mit meinen Kontakten könnte ich
etwas bewegen», zitierten Zeitungen den Ex-Präsidenten, der vor zwei
Jahren im Zug des Schmiergeldskandals um die Allianz Arena einen
unrühmlichen Abgang hatte. Bei der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag
dürfte Wildmosers Angebot zur Sprache kommen. Auch die Kritik der
Opposition an der Vereinsstruktur und der patriarchische Führungsstil
des nicht mehr unumstrittenen «Löwen»-Chefs Auer stehen auf der
Tagesordnung.
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